3.1. – 4.1.2020
Unser Ziel ist heute Nyero, wo prähistorische Felszeichnungen zu sehen sind. Wir starten in Jinja, wo der (weiße) Nil den Victoriasee verlässt und seinen langen Lauf (Fluss? Flusslauf!) ins Mittelmeer beginnt. Google Maps leitet uns zunächst nach Iganga, wo wir abbiegen und auf einer Straße weiterfahren, die ebenso gut ausgebaut ist wie die Hauptstraße. Ein paar Kilometer weiter, in einem Marktflecken namens Kaliro, blockieren Autos, Menschen, Kühe und was weiß ich die Straße, und nachdem wir uns den Weg durch die Menge gebahnt haben, wissen wir, warum die alle hier einfach rumstehen: Hier hört die geteerte Straße auf, und wir müssen auf einer Piste weiterfahren.
Google Maps zeigt uns unverdrossen den Weg nach Kumi, wo wir übernachten wollen, an, und angesichts der stellenweise recht holprigen Piste, die immer wieder von tiefen Furchen durchzogen wird, sind wir froh, dass unser Auto so viel Bodenfreiheit hat!
Plötzlich ist da was, oder eher: fehlt da was. Eine Brücke! Wo einst eine Brücke gestanden haben muss, tut sich vor uns ein tiefer breiter Spalt auf.
Eindeutige Aufforderung zur Umkehr
Auf der anderen Seite geht die Piste weiter, aber zwischen Hier und Dort fließt ein Flüßchen, das einige Meter unter Straßenniveau liegt. Nicht weit sehen wir Kähne, die Menschen, Fahrräder und auch Motorräder ans andere Ufer übersetzen. Für uns aber ist die Fahrt auf dieser Straße zu Ende, Google Maps (und auch Maps.me) haben uns irregeleitet: Wir müssen umkehren. Also fahren wir deprimiert zur Hauptstraße zurück, nach Iganga, wo wir ein Hotel finden und einen angenehmen Abend in Gesellschaft eines ugandisch-ukrainischen Paars verbringen.
Am nächsten Morgen, es ist Samstag, probieren wir es auf einem anderen Weg. Vor uns fährt ein Auto, es wird langsamer, wir bremsen ebenfalls, es wird noch langsamer, offenbar will es abbiegen. Ich entschließe mich zu überholen. Aus dem Augenwinkel sehe ich ein Hinweisschild, dann sind wir schon vorbei. Was war da?
Schild am Abzweig. Wir haben es nur gesehen, weil wir abbremsen mussten
Die Synagoge erweckt unsere Neugier. Der Reiseführer hat eine Synagoge in Mbale erwähnt, einer großen Stadt, rund 80 Kilometer weiter im Osten. Aber hier, auf dem Land? Wir wenden und fahren die staubige Piste entlang. Nach ein paar Minuten erblicken wir die Synagoge.
Schild am Abzweig. Wir haben es nur gesehen, weil wir abbremsen mussten
Wir steigen aus und tun, was Touristen gewohnheitsmäßig so tun: Schauen und fotografieren. Die Synagoge ist leer.
Hinter der Synagoge stehen ein paar Gebäude. Ein Mann mit einer Kippa auf dem Kopf kommt auf uns zu, begrüßt uns und stellt sich als Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Namutumba vor. Er lädt uns ein, mit ihm zu kommen. Wir sehen nicht nur Gebäude, zusätzlich sind ein paar große offene Zelte aufgebaut. Hier sitzen die Gemeindemitglieder, vielleicht 200 an der Zahl, im Schatten, unterhalten sich. Sie kommen gerade aus der Synagoge, wo sie den Sabbat-Gottesdienst gefeiert haben.
Nach dem Sabbat-Gottesdienst: Die Gemeinde versammelt sich zum Festmahl
Der Gemeindevorsteher macht uns mit dem Rabbi der Gemeinde, Mugoya Shadrach Levi, und Yonah, dem Gemeindesekretär, bekannt, der gerne unsere vielen Fragen beantwortet. Männer und Frauen sitzen beeinander, auch in der Synagoge. Diese Gemeinde ist nicht orthodox. Ohne viel davon zu verstehen, ordne ich sie irgendwo zwischen konservativ und liberal ein. Auch wenn in Uganda nicht alles für jüdische Gläubige vorhanden ist, versuchen die Gemeindemitglieder, die Abayudaya (so nennen sich die ugandischen Juden), die jüdischen Glaubensregeln so gut es unter diesen Umständen geht zu befolgen. Es ist Sabbat, an diesem Tag sollen Juden gleich welcher Observanz nicht arbeiten, also zum Beispiel auch kein Fahrzeug selbst fahren. Trotzdem ist der Gemeindevorsteher, der etliche Kilometer entfernt wohnt, heute mit dem Motorrad gekommen; anders geht es halt in Abwesenheit öffentlicher Verkehrsmittel nicht.
Aber das Sabbatmahl, das gerade gekocht wird, wird von einem Muslim und einem Christen zubereitet.
Zunächst gibt es Challot, die jüdischen Sabbatbrote.
Die Hauptmahlzeit besteht aus Rindfleisch mit Matoke (ein Püree aus Kochbananen) und Reis. Auch wir bekommen einen Teller gereicht, die Mahlzeit ist wohlschmeckend.
Die Leute hier kommen aus Namutumba selbst und aus den umliegenden Dörfern. Sie sind Bauern, die sich selbst versorgen und Überschüsse auf den Märkten der Gegend verkaufen. Auch der Rabbi der Gemeinde bestellt sein eigenes Feld, um ein Auskommen zu haben.
Die jüdischen Gemeinden Ugandas werden von den geistlichen Behörden Israels anerkannt, sagt Yonah. Ganz so einfach ist es aber wohl nicht; in Israel gibt es im orthodxen Rabbinat Vorbehalte gegenüber den afrikanische Juden. Vielleicht hängt es mit ihrer Geschichte zusammen, denn die ugandischen Juden können ihre Herkunft nicht auf König David zurückführen. Als Gründer der ugandischen jüdischen Gemeinden gilt Semei Kakungulu (1869-1928), ein zum Protestantismus konvertierter lokaler Krieger, der sich als Lohn für die Bekämpfung antibritischer Aufständischer im Osten Ugandas erhoffte, ein Königreich errichten zu dürfen. Aber die Briten speisten ihn mit einem Stück Land ab. Durch die Bekanntschaft mit einem jüdischen Händler konvertierte er zum jüdischen Glauben. Anfangs unbeholfen, lernte er im Lauf der Zeit mehr über seinen neuen Glauben und näherte seine Lebensweise und die seiner Gefolgsleute immer mehr den jüdischen Glaubensregeln an.
In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts putschte sich Idi Amin an die Macht; er verbot den jüdischen Glauben, die Synagogen Ugandas wurden zerstört. Aber die Juden überstanden die Zeit der Verfolgung, und nach Idi Amins Vertreibung konnte sich das jüdische Leben in Uganda wieder erholen. Die heutige Syangoge von Namutumba, ein Ziegelbau, wurde 2018 fertiggestellt und mit Solarstrom versorgt. Heute sind etwa 2000-3000 Ugander jüdischen Glaubens, in Namutumba und in den umliegenden Dörfern wohnen etwa 85 jüdische Familien. In Uganda gibt es insgesamt acht Synagogen und ein Gemeindehaus in Kampala.
Wie ist das Verhältnis der Juden in Namutumba zu ihren christlichen und muslimischen Nachbarn? Gut, sagt Yonah, es gibt keine Probleme. Die Juden betreiben in Namutumba eine Grundschule, die auch von christlichen und muslimischen Kindern besucht wird. Auch sie wird mit einer Solarstromanlage versorgt. Man hilft sich auch gegenseitig, wenn es notwendig ist.
Die Gemeinde von Namutumba hat auch die Brunnen gereinigt und mit Zäunen versehen, so dass Tiere sie nicht verunreinigen können. Es gibt einen Fonds für medizinische Notfälle, der von jüdischen Organisationen im Ausland gesponsert wird. Ochsen und Pflüge wurden und werden ebenfalls mit ausländischer Hilfe gekauft. Das größte Projekt der Gemeinde ist derzeit der Bau eines Lagerhauses. So können die Gemeindemitglieder ihre Vorräte für schlechte Zeiten oder einfach nur für spätere Verwendung besser speichern. In Zukunft wollen die Juden von Namutumba auch eine kleine Klinik bauen, um Kranke besser versorgen zu können.
Wir sind satt und es ist Zeit aufzubrechen, wenn wir unser ursprüngliches Ziel, die Felszeichnungen von Nyere, noch sehen wollen. Es heißt Abschied nehmen. Wir bedanken uns und machen uns mit den besten Wünschen von Yonah und den anderen auf die Reise nach Nyero.
Die Felszeichnungen dekorieren Unterkünfte dort hausender steinzeitlicher Stämme und stammen wohl aus dem 13. Jahrundert u.Z. Einigen Stämmen gelten sie heute noch als heilig. Es handelt sich um geometrische Zeichnungen in weißen und rötlichen Farben. Ein Beitrag zu der alten Debatte, wie Kunst begonnen hat: Als geometrisch-ornamentaler Schmuck oder als figuratives Abbild, als Idol. Hier vier der Fotos, die ich gemacht habe.
Nyero I. Man erkennt geometrische Muster, unser Führer erkennt auch ein Boot
Nyero II. Auch hier geometrische Muster. Noch ein Boot?
Nyero III. Ohne Boot. Im Liegen aufgenommen, denn der Raum ist gerade mal 50 cm hoch
Die Synagoge von Namutumba
Das Festmahl wird zubereitet
Challah
Die Mahlzeit
Informationstafel