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Reise

Mit dem Boda-Boda nach Hause

Das erste Mal mit einem Motorrad-Taxi unterwegs

19.12.

Gestern bin ich in Uganda angekommen. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Kampala, der Hauptstadt des Landes, hat Vincent, der Fahrer, der mich mit seinem Auto abgeholt hat, eindringlich vor den Gefahren, die einem auf einem Boda-Boda drohen, gewarnt. Am Abend hat Sigrid die Warnung noch einmal unterstrichen. Selbst auf einem SafeBoda sei es nicht sicher, wenn auch etwas besser.

Boda-Boda, so heißen in Uganda Motorradtaxis. Es sind kleine, schwach motorisierte Motorräder, meist indischer Herkunft. Boda-Boda ist eine Verballhornung von border border. Einst waren das Fahrräder, mit denen Lasten und Personen durchs Niemandsland zwischen der ugandischen und der kenianischen Grenze transportiert wurden – bevor es transnationale Busverbindungen gab. Heute sind Boda-Bodas keine Fahrräder mehr, transportieren aber wie früher manchmal Waren, vor allem aber Menschen, meistens einen, manchmal auch zwei. Die Passagiere transportieren meist selber etwas: oft Einkaufstüten, manchmal Säcke, ja ganze Stapel Säcke, und einen habe ich gesehen, der sich mit einer ganze Motorhaube, die er mit weit auseinandergestreckten Armen festhielt, durch Kampala chauffieren ließ.

Boda-Boda – das ist in Uganda ein wildes, unreguliertes Gewerbe. In Uganda brauchen Boda-Boda-Fahrer keinen Führerschein. In Städten ergänzen sie die Matatus, Sammeltaxis, die auf festen Linien fahren, und auf dem Land bringen sie Menschen von Dorf zu Dorf. In Kampala, der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt, soll es 200.000 Boda-Boda-Fahrer geben, gezählt hat sie niemand. Vielen jungen Männern bieten sie ein bescheidenes Einkommen.

Boda-Bodas, soweit das Auge reicht

Dass es auch High-Tech-Boda-Bodas gibt, solche, die man bequem und einigermaßen zuverlässig über eine App bestellen kann, weiß ich noch nicht, als ich mich entschließe, per Boda-Boda nach Hause nach Hause zu fahren. Vincents und Sigrids eindringliche Warnungen noch im Ohr, nehme ich mir vor, ein SafeBoda zu nehmen.

SafeBodas haben, so heißt es, einen Helm für den Mitfahrer an Bord, halten sich eher an die Verkehrsregeln, fahren weniger aggressiv und vermitteln ein angstfreieres Mitfahrgefühl.

Man erkennt ein SafeBoda daran, dass die Fahrer orangenfarbene Helme und Warnwesten tragen. Es kann also nicht so schwer sein, eins zu finden, oder? Ich sehe auch wirklich einige SafeBodas, aber dennoch ist es schwieriger als gedacht: Die meisten sind besetzt, manche reagieren nicht auf mein Winken, vielleicht, weil sie irgendjemanden abholen wollen. Und als ich einen Fahrer anspreche, der an einer Straßenecke wartet, und ihn um den Helm bitte, will er ihn mir nicht geben, sondern bedeutet mir, ich möge ohne Helm aufsteigen. Seine Begründung verstehe ich nicht, aber ich erkläre mir das so, dass der Helm nur eine Attrappe ist. Dazu passt, dass die meisten Boda-Boda-Passagiere, auch auf SafeBodas, ohne Helm unterwegs sind (vielleicht wollen die Passagiere aber nur ihre Frisur nicht ruinieren). Dass ich mich getäuscht habe, steht am Ende dieses kleinen Berichts.

Ich gehe also weiter die Straße entlang, passiere mehrere wartende Boda-Boda-Fahrer, und als ich langsam die Geduld verliere und mich wieder einer anspricht, frage ich ihn, ob ich seinen Helm aufsetzen kann. Kaum, dass er genickt hat, steht plötzlich neben ihm ein freier SafeBoda-Fahrer, der tatsächlich einen zweiten Helm hat, und ich wähle ihn. Ich nenne die Straße, zu der ich gebracht werden will; er zögert ein bißchen. Ob er nicht weiß, wo sie liegt? Ich nenne das Stadtviertel, das kennt er. Wir vereinbaren einen Preis, und da zückt er zu meiner Überraschung einen Haarschutz, den er mir überstreift, bevor er mir den Helm (er passt) aufsetzt. Wow, sehr professionell!

Etwas verkrampft mit Haarnetz und Helm auf dem SafeBoda

Der Fahrer kurvt um ein paar Autos herum, reiht sich in den Verkehr, der hier ausnahmsweise nicht steht, sondern langsam fährt, ein, biegt nach links ab. Richtig safe ist das nicht unbedingt, aber auch nicht richtig gefährlich. Aber nach 30 Metern kommt ein anderer Boda-Boda-Fahrer von rechts und will nach links, meiner will von links nach rechts, und fast touchiert der andere uns – dann sind wir aneinander vorbei. Nochmal gut gegangen. Im Kreisverkehr zwängt sich der Fahrer, die Füße als Stütze zu Hilfe nehmend, an ein paar stehende Autos vorbei, dann gibt es auch auf diese Weise kein Durchkommen mehr – wir stehen wir die Autos. Schließlich geht es wieder weiter. Eine Kreuzung überqueren wir wenige Zentimeter vor dem einsetzenden Querverkehr. Dahinter will mein Fahrer links an fahrenden Autos vorbei (in Uganda herrscht Linksverkehr), bis das Auto vor uns näher an die Bordsteinkante fährt, wir müssen bremsen. Die nächste Querstraße bietet dann Platz zum Überholen. Gleich danach steht der Verkehr wieder, die Autos stehen in zwei Reigen auf der Fahrspur – hier ist kein Durchkommen.

Oder doch? Na klar, auch ein SafeBoda findet wie die anderen einen Weg – er muss aber erst zwischen den dicht stehenden Autos auf die Gegenspur! Dort kommen ihm viele Boda-Bodas entgegen, denen er geschickt ausweicht (oder sie ihm). Gefahren wird zentimetergenau – ganz sicher bin ich mir weder bei den Zentimertern (ich habe nicht selten das Gefühl, dass es weniger ist) noch bei dem Wort genau – eine gewisse Stochastik scheint mir immer im Spiel zu sein. Aber es kommt zu keiner Kollision, noch nicht einmal zu Berührungen.

Boda-Bodas drängeln sich links am Stau vorbei

Schließlich kommt uns ein Auto auf der Gegenfahrbahn entgegen – das heißt, es will uns entgegenkommen, steht aber, weil seine Spur durch die zwei Reihen Autos auf unserer Spur – die wir verlassen haben – blockiert ist. Nun geht wirklich nichts mehr – oder? In Uganda geht doch etwas – ich habe schon Boda-Bodas gesehen, die in solchen Situationen auf dem Bürgersteig weiterfahren. Aber mein Fahrer – ich sitze ja auf einem SafeBoda – heißt mich absteigen, ich gehe an der blockierten Stelle zu Fuß vorbei, und er – fährt auch nicht, sondern schiebt sein Motorrad über den Bürgersteig. Ich bin wirklich mit einem SafeBoda unterwegs, denke ich.

An der nächsten Kreuzung weiß mein Fahrer nicht weiter, fragt zuerst einen anderen Boda-Fahrer und dann einen Verkehrspolizisten, aber ich erkenne in Sichtweite eine andere Kreuzung wieder, an der ich am Nachmittag zu Fuß vorbeigekommen bin, und habe jetzt eine dunkle Ahnung, wie es weitergeht, sage es ihm auch. Kurz darauf geht es wieder rechts am Autostau vorbei, die entgegenkommenden Boda-Bodas machen es ebenso, was zu einigen Verwicklungen in der Mitte zwischen den beiden Autoschlangen führt. Bald müssen wir halten, bald die anderen, und schließlich können wir die Straße und den Stau verlassen und sind jetzt in einer ruhigen Nebenstraße. Noch einmal müssen wir halten, denn ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob wir auf dem richtigen Weg sind, aber ein Blick auf die Straßenkarte des Allesanbieters, dessen Namen mit G beginnt, zeigt, dass mein Gefühl mich nicht getrogen hat, ich es nicht mehr weit habe und bald unverletzt zu Hause sein werde. Gleich ist mein erstes ugandisches Abenteuer bestanden.

Später erklärt mir Sigrid, dass die Bewohner des Viertels, in dem sie wohnt, selten Boda-Boda fahren (kein Wunder, bei den mauerümgürteten und wächterbewachten Villen) und daher die meisten Fahrer die Straßen hier nicht kennen. Das war also der Grund, warum mein Boda-Boda-Fahrer die ungefähre Richtung, aber nicht den Weg kannte! Dass sie andere Adressen besser kennen, ist aber nicht ausgemacht. Später habe ich auch schon mal eine halbe Stadtrundfahrt auf dem Weg zum General Post Office gemacht – sehr interessant -, aber der direkte Weg war es halt nicht.

Weiter oben habe ich geschrieben, dass viele SafeBoda-Fahrer nur Helmattrappen mit sich führen. So kann man sich täuschen: Aus späteren Erlebnissen schließe ich, dass der Fahrer mir wohl gesagt hat, dass er kein Haarnetz hat, und dass er es mir oder seinem Helm nicht zumuten wollte, den Helm ohne Haarnetz aufzusetzen.

Später habe ich noch mehrere SafeBoda-Fahrten absolviert. Ich habe gelernt, den Fahrer mit dem Mobiltelfon in der Hand zum Ziel zu navigieren, und auch, ein Selfie aufzunehmen. Nicht immer habe ich mich sicher gefühlt, aber nie gab es ernste Probleme und vor allem war ich nicht in einen Unfall verwickelt. Ich habe gelernt, fast wie ein Einheimischer das populärste Verkehrsmittel Kampalas zu benutzen.

Von dankwartp

Geboren. Hoffnungsfroh skeptisch. Noch am Leben.

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